Archiv der Kategorie: Verkehrsrecht

Tacho„Manipulation“

Sie wollen ein gebrauchtes Fahrzeug erwerben. Der Verkäufer teilt Ihnen mit, dass beim Kilometerstand von X  der Tacho einen Schaden hatte und ein neuer Tacho eingebaut wurde. Die Gesamtlaufleistung soll Y Kilometer betragen. Im Vertrauen auf diese Angaben erwerben Sie das Fahrzeug.

Leider sind Sie einige Zeit später in einen Verkehrsunfall verwickelt. Sie lassen über den Schaden an Ihrem Fahrzeug ein Gutachten erstellen. Es ergeben sich Zweifel an der Gesamtlaufleistung.

Und nun wird es misslich:

„Ein Schadensersatzanspruch scheidet aus, weil ein Sachverständiger den Wiederbeschaffungswert des an dem Unfall beteiligten Fahrzeuges aufgrund der völlig unklaren Laufleistung des Fahrzeuges nicht verlässlich ermitteln könnte. 

Wenn aber – wie hier – der Wiederbeschaffungswert nicht ermittelt werden kann, so muss die Frage auch offen bleiben, ob überhaupt ein reparaturwürdiger Schaden am klägerischen Fahrzeug entstanden ist. Gleiches gilt für die Ermittlung einer etwaigen merkantilen Wertminderung.“

So jüngst das Amtsgericht Bochum in seinem Urteil vom 14.08.2015 zum Aktenzeichen 47 C 55/15.

Der Geschädigte ist in diesem Prozess leer ausgegangen.

Wenn es für den behaupteten Austausch des Tacho keine entsprechenden Nachweise und Belege gibt, sollte man von der Anschaffung dieses Fahrzeuges lieber Abstand nehmen.

Reparaturauftrag unter Vorbehalt?

Das eigene Kraftfahrzeug ist defekt. Es muss repariert werden. Kann die Werkstatt dafür Geld verlangen?

Kommt nach Abschluss der Reparatur die Rechnung der Werkstatt, beginnt häufig der Streit.

Der Streit geht in den meisten Fällen dahingehend, dass der Auftraggeber meint, es läge ein Fall der gesetzlichen Sachmängelhaftung bzw. ein Fall der vertraglich vereinbarten Garantie vor.

Während der Kunde im Fall der gesetzlichen Sachmängelhaftung schon dem Buchstaben des Gesetzes nach für die Fehlerbeseitigung und Behebung keine Kosten zu tragen hat, ist dies in Fällen der vertraglich vereinbarten Garantiezusagen oft anders.

Dies fängt schon damit an, dass die Werkstatt nicht von sich aus nachforschen muss, ob eine Garantie besteht und ob der Garantiegeber die Reparatur übernimmt.

Vorsicht! Ist das Fahrzeug nicht bei dem Händler gekauft worden, bei dem die Reparatur in Auftrag gegeben werden soll, muss (und kann) der Werkunternehmer nicht prüfen, ob der Kunde eventuell Sachmängelansprüche hat. Diese kann der Kunde nur bei seinen Vertragspartner geltend machen.

„Ja, habe ich aber doch gesagt“ ist dann eine oft gehörte Einlassung des Kunden. In den meisten Fällen sogar zutreffend, doch selten im Auftrag entsprechend dokumentiert.

Ob nun gemeint war, dass die Reparatur in jedem Fall durchgeführt werden soll oder nur dann, wenn die Garantie greift  oder der Verkäufer die Kosten der Reparatur aus Sachmängelhaftung übernimmt, ist der nächste Streit.

Als Kunde sollte ich mir deshalb immer vor Erteilung des Auftrages überlegen, was ich genau will und dies auch so zum Ausdruck bringen, insbesondere darauf achten, dass sich mein Wille auch aus den schriftlichen Auftrag ergibt.

Aber auch der Werkunternehmer tut gut daran, genau zuzuhören. Ist der Auftrag nur für den Fall der Übernahme der Reparaturkosten durch den Garantiegeber beauftragt worden, erhält die Werkstatt von ihrem Kunden kein Geld, wenn ohne Zusage des Garantiegebers repariert wird.

Fahren im Pulk – Verzicht auf Haftung?!

Die letzten schönen, trockenen und sonnigen Tage des Jahres locken insbesondere Zweiradfahrer noch einmal auf die Straße. Alleine Fahren ist genauso langweilig wie alleine Trinken. Deshalb fährt man gerne in der Gruppe.

Doch was geschieht, wenn Einer im Pulk nicht aufpasst und es zur Kollision kommt.

Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Frankfurt auseinandersetzen.

Das Urteil des Oberlandesgerichtes Frankfurt vom 18. August 2015 sollte Zweiradfahrer aufhorchen lassen:

Es gibt nichts. Das Verfahren in einer Gruppe ohne Einhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes führt zu einem Haftungsausschluss zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gruppe.

Kuscheln kann sehr schön sein, doch bitte nicht auf der Straße. Hier ist Abstand zueinander zwingend geboten.

Wer auffährt ist (nicht) immer schuld!

Nach dem „Beweis des ersten Anscheins (Prima-facie-Beweis)“ haftet bei einem Auffahrunfall der Auffahrende in der Regel zu 100%.

Vorausgesetzt wird dabei regelmäßig eine gewisse Typizität des zu beweisenden Geschehensablaufs.

Eine solche Typizität liegt beispielsweise dann nicht vor, wenn beide Fahrzeug an einer Ampel / Kreuzung stehen. Der Vordermann trägt vor, der Hintere sei aufgefahren. Der Hintermann behauptet, der Vordere sei zurückgefahren.

Aber auch im fließenden Verkehr gibt es Situationen, in denen der Auffahrende nicht alleine haftet. Kommen beide Fahrzeugführer auf Grund einer Ölspur ins Schleudern und fährt der Hintere dann auf, bedeutet dies nicht zwingend seine alleinige Haftung.

Wenn sich dann ein solches Unfallereignis nicht durch Zeugen oder Gutachter aufklären lässt, sind in der Regel beide Fahrzeugführer mit 50% dabei.

Einzelheiten und Details können der Anmerkung zum Urteil des OLG Koblenz vom 16.03.2015 zum Aktenzeichen 12 U 1010/14 entnommen werden.

Wie alt bin ich? Steinschläge am Auto

Wer kennt das nicht. Das fährt man nichtsahnend hinter so einen Kieslaster her und plötzlich prasselt es wie bei einem Sandsturm. Danach ist das eigene Auto gesprenkelt.

Wer sich jetzt zu lange Zeit lässt, hat schon verloren. Nach Einschätzung von Sachverständigen lässt sich schon nach 2 Wochen nicht mehr sicher bestimmen, wie alt der Steinschlag ist.

So kann der Geschädigte nicht beweisen, dass der Schaden an seinem Fahrzeug von dem behaupteten Ereignis stammt – und geht deshalb leer aus.

Es bewahrheitet sich mal wieder:

Der frühe Vogel fängt den Wurm.

Ich wünsche allen eine sturmfreie Fahrt.

Na, danke schön! Oder warum Eltern nicht mehr zu Sportveranstaltungen fahren

Wie kommen minderjährige Mädchen und Jungen zu auswärtigen Sportveranstaltungen? Ganz klar: mit den Eltern oder in Fahrgemeinschaften.

Ohne zu Murren, ohne Gegenleistung, oft auch ohne Dank, werden so Jahr für Jahr Millionen von Kilometern in Deutschland für den Sport des Nachwuchses verfahren.

Und wie ist es nun, wenn der Fahrer auf einem solchen Weg einen Unfall verursacht und dabei zu Schaden kommt?

Dann wird es oft ganz bitter. In vielen Fällen bleibt der Fahrer auf seinem Schaden sitzen (soweit nicht die eigene Kasko-, Kranken-, Unfall-, Berufsunfähigkeits- oder „weiß-der-Geier-was-auch-immer-“ Versicherung einspringt).

Warum das so ist, hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 23. Juli 2015 zum Aktenzeichen III ZR 346/15 näher ausgeführt.

Denn, so der Bundesgerichtshof, in den meisten Fällen ist diese Fahrt eine reine Gefälligkeit, bei der der Sportverein nicht in die Haftung genommen werden kann.

Der übliche Ablauf solcher „Sammelfahrten“ zu Auswärtsspielen spricht nach Ansicht der Bundesrichter „entscheidend dagegen, den auf freiwilliger Grundlage erfolgten Transport der Kinder zu Auswärtsspielen durch Personen aus ihrem persönlichen Umfeld als auf der Grundlage eines mit wechselseitigen Rechten und Pflichten ausgestalteten Schuldverhältnisses erbracht anzusehen. Vielmehr handelt es sich, wenn minderjährige Mitglieder eines Amateursportvereins von ihren Familienangehörigen oder Angehörigen anderer Vereinsmitglieder zu Sportveranstaltungen gefahren werden, grundsätzlich – auch im Verhältnis zum Sportverein – um eine reine Gefälligkeit, die sich im außerrechtlichen Bereich abspielt. Solange keine gegenteiligen Absprachen getroffen werden, scheiden damit Aufwendungsersatzansprüche aus.“

Die Einzelheiten können, bis das schriftliche Urteil veröffentlich ist, der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 23. Juli 2015 entnommen werden.

Auch die Versicherung des Sportvereins wird in der Regel „dankend abwinken“, denn nach den Versicherungsbedingungen würden nur Vereinsmitglieder und zur Durchführung versicherter Veranstaltungen „offiziell eingesetzte“ Helfer Versicherungsschutz genießen. Hierzu gehören die Heerscharen freiwilliger Helfer oft nicht.

Manchmal kann schon eine Familienmitgliedschaft hier die Ablehnung des Versicherungsschutzes verhindern!

Ganz anders hingegen sieht es bei den Insassen aus:

Diese haben einen eigenen Anspruch gegen die Fahrzeugversicherung, bei der das Fahrzeug versichert ist, in welchem der Insasse verunglückte. Die SportlerInnen sind also abgesichert und versichert, sowohl über den Verein als über die Kfz-Versicherung. Ein „rundum-sorglos-Paket“.

Hast Du Unfall? Brauchst Du Anwalt!

Besser hätte die Anwaltschaft selbst die Werbung für die eigene Dienstleistung auch nicht formulieren können:

„Auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts von vornherein als erforderlich anzusehen. Gerade die immer unüberschaubarere Entwicklung der Schadenspositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssätzen u.ä. lässt es geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln. Das gilt nur dann nicht, wenn es sich bei dem Geschädigten um ein weltweit agierendes Mietwagenunternehmen handelt.“

So das Oberlandesgericht Frankfurt in seinem Urteil vom 02. Dezember 2014 zum Aktenzeichen 22 U 171/13.

Und wenn selbst die hohen Richter des Oberlandesgerichtes die Judikatur zu den einzelnen Schadenspositionen für unüberschaubar halten, dürfte dies für jeden Verkehrsteilnehmer auch gelten.

 

billig kann teuer werden

Bei Schwarzarbeit gibt es keine Gewährleistung.

Ist der fahrbare Untersatz in die Jahre gekommen, sind Gewährleistung und Garantie des Herstellers / Verkäufers abgelaufen, spielt oft der Preis für notwendige Reparaturen eine entscheidende Rolle.

Wenn der „Schrauber um die Ecke“ es nach Feierabend für „bar auf die Hand“ in seiner Garage billiger macht, dann wird die Reparatur eben dort durchgeführt.

War die Reparatur dann nicht erfolgreich, werden Sachmängelansprüche erhoben.

Doch erfolglos, wie der Bundesgerichtshof gerade jüngst in seiner Entscheidung vom 11. Juni 2015 zum Aktenzeichen VII ZR 216/14 noch einmal ausdrücklich betont hat.

Denn, was viele nicht bedenken, der Werkvertrag ist wegen Verstoßes gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG* vom 23. Juli 2004 nichtig. Damit scheiden alle vertraglichen Ansprüche, wie Sachmängelhaftung, Schadensersatz, aber auch der Vergütungsanspruch aus.

Ist das vereinbarte Entgelt bereits bezahlt, kann der Auftraggeber (Besteller des Werkes) selbst im Falle eines Mangels nicht die Rückzahlung des Werklohnes verlangen.

Lieber Geschädigter, so teuer, wie Deine Fachwerkstatt das Auto reparieren möchte, muss es nicht sein. Ich hab´da eine günstige Werkstatt für Dich. Lass´ Dein Fahrzeug dort reparieren. Mehr als diese Kosten bezahle ich nicht. Viele Grüße, die gegnerische Haftpflicht.

Mittlerweile ist dies Alltag in der Unfallregulierung.

Und so hat der Bundesgerichtshof nun in seinem Urteil am 28. April 2015 zum Aktenzeichen VI ZR 267/14 die Haftpflichtversicherungen ein-, aber nicht völlig ausgebremst:

  1. Der Schädiger kann den Geschädigten gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ verweisen, wenn er darlegt und beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Werkstatt unzumutbar machen würden.

    Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten insbesondere dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-)üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen.

  2. Der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer hat darzulegen und zu beweisen, dass die von ihm benannte „freie Fachwerkstatt“ für die Reparaturen am Fahrzeug des Geschädigten ihre (markt-)üblichen, das heißt allen Kunden zugänglichen Preise zugrunde legt.
  3. Allein der Umstand, dass die fragliche „freie Fachwerkstatt“ mit dem Haftpflichtversicherer in Bezug auf Reparaturen von Kaskoschäden seiner Versicherungsnehmer vertraglich verbunden ist, lässt eine Verweisung auf sie nicht unzumutbar erscheinen.

Also Vorsicht:

Grundsätzlich unzulässig ist das Ansinnen der gegnerischen Haftpflichtversicherungen nicht. Wer dennoch in „seiner“ Werkstatt reparieren lässt, riskiert, auf der Differenz „sitzen zu bleiben“.

Bagatellschaden – gibt es eine starre Grenze?

Ein Unfall ist passiert; das Auto ist beschädigt. Was wird es kosten? Wie kann ich das feststellen lassen?

Entweder durch einen Kostenvoranschlag oder durch ein Sachverständigengutachten.

In beiden Fällen werden die Kosten der Reparatur kalkuliert. Nur kostet ein Gutachten deutlich mehr Geld als ein Kostenvoranschlag, bietet dafür aber auch mehr Informationen und kann im Streitfall hilfreich sein.

Was ist die richtige Wahl?

Grundsätzlich muss sich der Geschädigte so verhalten, wie ein vernünftig und wirtschaftlich denkender Mensch handeln würde. Anders ausgedrückt: „Würde man einen Gutachter beauftragen, wenn man den Schaden vielleicht selbst bezahlen müsste?“

In seinen Urteil vom 30. November 2004 zum Aktenzeichen VI ZR 365/03 hat es der Bundesgerichtshof nicht beanstandet, dass bei geschätzten Reparaturkosten von 1.400,00 DM (715,81 €) ein Gutachten eingeholt wird.

Seitdem „tobt“ ein erbitterter Krieg um eine starre Grenze, ab der der Geschädigte sicher einen Gutachter beauftragen darf. Gerade in jüngster Zeit nimmt diese Streitfrage wieder breiten Raum im Gerichtsalltag ein. Doch die Grenze ist nicht gefunden.

Was ist zu tun?

Wenn schon dem Geschädigten „schwant“, dass es sich nur um einen geringen Schaden handelt, sollte man vorsorglich zunächst nur einen Kostenvoranschlag (seiner Werkstatt) einholen und den Schaden bildlich dokumentieren.

Oftmals reicht dies schon aus.

Macht der Versicherer Schwierigkeiten, kann immer noch ein Gutachten eingeholt werden.

Ein Gutachten ist einzuholen, wenn

– eine Wertminderung trotz fachgerechter Reparatur im Raum steht

– die Reparaturkosten den Wert des Autos übersteigen könnten.

In Zweifelsfällen kann man natürlich auch erst einmal seinen Anwalt fragen.

Allzeit unfallfrei Fahrt.